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Glaubt nicht euren Eltern

Bronson XL

Genre: Hip Hop, Beatproduktion, Audiorecording & -mixing

Heimatstadt: Gütersloh

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Hatemo

Genre: Deutsch-Rap

Heimatstadt: Gütersloh

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Foto: Hüseyin Abi

 

Interview Ende März 2019, Bielefeld

 

Die zweite Hatemo Solo-EP erscheint dieses Jahr. Könnt ihr dazu schon was verraten?

Hatemo: Sie heißt „Gesichter der Schatten“ und wird sieben Tracks umfassen. Mayster P ist gerade am Mischen. Ein Video ist schon fertig, ein zweiter Dreh folgt, das dritte im Gespräch. Features gibt es von Fano, mit dem ich 2013 eine Kollabo-EP hatte, und LAD aus Gütersloh. 

Bronson XL: LAD ist zusammen mit Wizdom und AS Teil der Rap-Gruppe LAW.

 

Seit wann seid ihr gemeinsam als Rapper beziehungsweise Producer aktiv?

Bronson XL: Ich kannte Hatemos Songs dank Internet schon, bevor wir uns persönlich kennenlernten. Damals machte ich noch mit anderen Leuten aus Gütersloh Musik. 2013 lernten wir uns über den Jugendtreff kennen, wo ich damals das Tonstudio betreute. Er war mit Fano einer der Ersten, der dort bei mir aufnahm. Darauf arbeitete ich ganz viel mit dem Format „GT:Rappt“ zusammen. Irgendwann lösten wir uns davon und setzten uns privat als Duo zusammen. Das passte ganz gut. Inzwischen ist eine richtig gute Freundschaft entstanden.

 

Eine Frage von meinem Producer-Freund Jan an Bronson XL: Du hast ’ne MPC und eine Native Instruments Maschine. Welches Gerät bevorzugst du und warum? 

Bronson XL: Schwierig. Wenn ich jetzt der richtige Realkeeper wäre, würde ich natürlich mit MPC antworten. Aber das ist leider Schwachsinn. Es ist tatsächlich die Maschine, weil man mit ihr Ideen beim Samplen schneller und direkt am Rechner umsetzen kann. Die MPC hat einen schöneren Sound, aber für mich dauert es einfach viel zu lange. Doch ich würde sie nie verkaufen. Sie war immer mein Traum, da die Produzenten, die ich teilweise bis heute anhimmle, sie nutzen, beispielsweise DJ Premier, The Alchemist oder Kanye West. Irgendwann schoss ich das Ding günstig bei ebay Kleinanzeigen. Ich habe eine kleine Sammlerliebe für alte Sampler. Vielleicht sind sie eines Tages eine Wertanlage.

 

Noch eine Frage von Jan: Was würdest du niemals produzieren?

Bronson XL: Ich würde nichts kategorisch ausschließen. Der HipHop Markt ist so überflutet, weil es aktuell die Musik schlechthin ist. Du kannst Beats machen, ohne einen Cent für das nötige Equipment zu bezahlen. Es kann quasi jeder mit einem Rechner Beats bauen. Daher überlegte ich eine Zeit lang, ein Schlager Ding umzusetzen. Ich hatte tatsächlich eine Anfrage eines Bielefelder Schlagersängers, was das Recording angeht. True Story. Es kam aber irgendwie nicht zustande, und der Typ startet jetzt komplett durch und macht richtig Welle. Da muss man Bock drauf haben. Ich höre nicht nur HipHop gemäß den Beginnern: „Wer HipHop macht, aber nur HipHop hört, betreibt Inzest.“ HipHop lebt vor allem von den Einflüssen anderer Genres. Ohne sie würde man sich stark einschränken. Neulich brachte Hatemo mir von einer Haushaltsauflösung gratis 50 bis 80 Klassikplatten mit. Totaler Hardcore-Shit, top erhalten und voller Samples. 

 

Bronson, arbeitest du „nur“ mit Hatemo zusammen oder supportest du noch mehr Künstler?

Bronson XL: Ich mache meine Beats selten zu Ende, deswegen habe ich einen Ordner mit 60 Demos und Skizzen. Mayster P, der derzeit unsere EP mischt, ist Bassist bei Cut the Cord und rappt nebenbei. Wir stehen im regen Austausch und haben für sein Projekt schon neun Songs zusammen. Das wird die zweite EP des Jahres, vielleicht sogar ein Album. Ich kannte ihn vorher schon flüchtig, lernte ihn aber bei Rec & Play im Cutie erst richtig kennen. Die dritte EP wird vermutlich eine Remix-Platte, und dann plane ich noch eine Instrumental-Platte mit den Beats der drei anderen Dinger. 

 

Was geht für euch in Sachen Rap gar nicht?

Hatemo: Wenn man die Songs von zehn oder 20 Rappern vergleicht, kommen immer die selben Themen. Klar behandle ich diese Themen auch, aber ich bin abwechslungsreicher. Mein Track „Auf der Reise“ handelt zum Beispiel vom Urlaub mit meiner Freundin in mein Heimatland Tunesien. Ich erzähle eine richtige Geschichte. 

Bronson XL: Man braucht das Rad nicht neu erfinden, aber man sollte es nicht klauen. Wenn man heutzutage durch die Instagram-Feeds geht, hört man häufig das Gleiche. 

Hatemo: Ich nenne das die Mero-Generation.

Bronson XL: Und was im Rap gar nicht geht, ist, ihn als Sprachrohr zu missbrauchen und die Nazi-Schiene zu fahren. Das lässt sich überhaupt nicht vereinbaren. 

 

Was feiert ihr am Rap?

Bronson XL: Dass, obwohl vieles gleich klingt, er heute so vielfältig ist wie nie zuvor. Es sind immer wieder Sparten des Genres im Fokus – BoomBap in den 90ern, dann diese Aggro Berlin Zeit, zuletzt Afro Trap –, aber alle anderen Richtungen werden weiterhin gehört. 

 

Findet ihr, dass Rapper irgendwann zu alt sind, um auf die Bühne zu gehen?

Bronson XL: Dendemann macht’s vor, und er hat ein sehr geiles Album rausgebracht. 

Hatemo: Kool Savas und Azad kriegen das ja auch geschissen. 

Bronson XL: Dendemann macht’s zudem cool. Er ändert nicht wie ein Sido über die Jahre seinen Sound oder Image. Wenn du die Platte hörst, ist sie supergut produziert, hat irgendwie einen eigenen Touch und spricht mit sehr politischen und gesellschaftskritischen Themen auch ein älteres Publikum an. Es ist keine Musik, zu der du im Auto voll abgehst, aber das ist mal ganz schön. 

 

Wer hatte die Idee zum Rapformat „Under Sixty“? 

Hatemo: Das war eine spontane Aktion. Mein Kollege Joschka aus Paderborn hat mich mit seinem Format „Bars für Bras“ dazu inspiriert. Mit den ersten Videos wollte ich gucken, wie das bei den Leuten ankommt. Zu 99 Prozent erhielt ich positives Feedback. 

Bronson XL: Die Idee dahinter war auch, ein bisschen Welle zu machen, bevor im Sommer die Platte kommt.

 

Gibt es in Tunesien eine Rapszene und wenn ja, wie sieht die aus?

Hatemo: In Tunesien ist die Rapszene sehr stark geworden. Der Künstler Balti brachte vergangenes Jahr einen Song mit einem kleinen Jungen namens Hamouda heraus. Der Song hat jetzt schon mehr als 560 Millionen Klicks erreicht. Er ist damit international durchgestartet. Er rappt auf tunesisch mit französischen Parts. Im Vergleich zu den anderen Rappern in Tunesien verkörpert er eine gewisse Ernsthaftigkeit. Dann gibt es noch Kafon, Samara und die weibliche Rapperin Ily. 

 

Bronson XL: Was ist eigentlich deine allerliebste Platte, dein All Time Classic? 

Hatemo: „The Massacre“ von 50 Cent. Das war 2005 mein erstes Album, das ich mir kaufte.

Bronson XL: Fugees „The Score“ war meine erste HipHop Platte zu Grundschulzeiten. Mein Vater schenkte sie mir gemeinsam mit Metallicas „Load“. Er hat mich mit seiner Mucke hart geprägt. Es gibt viele geile Alben, aber „The Score“ habe ich mir nun auf Platte nachgekauft. Ich werde vermutlich noch mit 80 im Altersheim mit dem Grammophon „Fu-Gee-La“ hören. Schade, dass es die als Gruppe nicht mehr gibt. 

 

Wenn man euch 500.000 Euro für eure Musik schenken würde: Was würdet ihr damit anstellen? 

Bronson XL: Rückfrage: Müsste ich es versteuern oder nicht?

Cash.

Bronson XL: Ich würde mir eine SSL 4000 G Konsole kaufen. Das ist eine Studiolegende. Ich würde mir natürlich ein Studio zulegen. Heutzutage wäre es wohl das Wichtigste, ins Marketing zu investieren. Und damit meine ich nicht, Klicks zu kaufen. Ich glaube, heutzutage geht die meiste Kohle dafür drauf. 

Hatemo: Nichts gegen Bronsons Arbeit, aber ich würde Dr. Dre für einen bestimmten Beat oder eine Produktion anfragen.

Bronson XL: Du bist nicht der Dr. Dre Typ, Alter.

Hatemo: Hey, ich könnte mich anpassen. Ich bin wie ein Chamäleon. 

Bronson XL: Dein Sound ist Bronson XL Sound. Du könntest aber endlich mal für deine Beats bezahlen. 

Hatemo: Realistisch betrachtet, würde ich mir die Top 4 Produzenten Deutschlands, Bronson einbegriffen, einkaufen, sie ins Studio sperren und ihnen freie Hand lassen. Wenn 100 Beats stehen, picke ich mir 20 Tracks. 15 Beats für ein Album, fünf für eine EP, halt eine komplette Promophase. Das könnte mich 60.000 bis 70.000 Euro kosten, ca. 15.000 Euro pro Person. Dann würde ich noch Videoproduktion auf Endlevel kaufen und mit einem Kamerateam andere Länder bereisen: Mexiko, Dubai, Kapstadt ... Bronson hatte ja schon das fette Studio erwähnt. 

Bronson XL: Das Problem ist, dass eine SSL Konsole bereits knapp 20.000 Euro kostet, da sie nicht mehr hergestellt wird. Auf diesem analogen Studiomischpult hat zum Beispiel TuPac „All Eyez On Me“ aufgenommen. „Doggystyle“ wurde darüber gemischt. Vorher arbeitete schon Led Zeppelin damit. Die SSL Konsole ist noch immer High End, obwohl das Ding aus den 80ern ist. Sie sind selten, und allein die Kosten für die Wartung sind immens. 

 

Am 13. Juli tretet ihr bei „Fab Kush and Friends-Hip Hop meets Reggae“ in Gütersloh auf. Stehen weitere Auftritte an?

Hatemo: Dieses Jahr konzentrieren wir uns auf die Platte samt Videodrehs. Live haben wir wenig geplant, obwohl wir wirklich Bock drauf hätten. 

 

Nehmt ihr an Talentwettbewerben teil?

Hatemo: Bei „Fab Kush and Friends“ bin ich Juror. Ansonsten nahm ich schon an Contests im Rahmen von „GT:Rappt“ teil. 2012 holten mich im Bielefelder Stereo Celo & Abdi für einen Wettbewerb auf die Bühne. Ich war 17 Jahre alt, stand erst zum zweiten Mal im Leben auf einer Bühne und kam sogar bis ins Halbfinale. Kurdo ermutigte mich, weiterzumachen. Leider fiel mir kein Text mehr ein. 

Bronson XL: Deine drei Texte hattest du schon im Vorfeld verpulvert. 

Hatemo: Jetzt ist man besser vorbereitet, aber damals ... Junge, Junge, Junge.

Bronson XL: An dem Abend stand halb Gütersloh auf der Bühne. Unsere Stadt hatte schon immer eine stabile Szene, vieles bekam man nicht mit. Laas Unltd. kommt beispielsweise aus GT. Maltematik. Fab Kush ist ewig dabei, Jawbone auch, der Wahnsinn, aber da waren wir noch Quark. 

Hatemo: Ich bin übrigens auf der nächsten Kollabo-EP von Fab Kush und Jawbone vertreten. 

 

Was würdet ihr jungen Leuten raten, die mit dem Rappen beziehungsweise Producing anfangen wollen?

Bronson XL: Machen. Und sich nicht so sehr daran orientieren, was andere tun. Man sollte das umsetzen, was sich gut anfühlt. Erfolg basiert heutzutage nicht zu 100 % auf Talent. Das sind maximal 40 %, der Rest sind Connections und Durchhaltevermögen, den Leuten auf den Sack gehen. Du brauchst Content. Die Qualität ist da erstmal egal, die Musik muss ein Gefühl auslösen. 

Hatemo: Wenn du Taktgefühl hast, mach weiter. Das ist das A und O. Es gibt Leute, die das nicht lernen können.

Bronson XL: Lass sie doch machen, wenn sie das wollen.

Hatemo: Okay, dann werden sie sich aber 100 % blamieren. 

Bronson XL: Macht’s für euch und glaubt nicht euren Eltern, wenn sie behaupten, ihr seid gut. 

Hatemo: Bestes Beispiel: „Mein Bizeps brennt“. Das war witzig und ging viral, aber der Typ meinte es ernst!

Bronson XL: Wenn du nicht rappen kannst, sei wenigstens witzig, irgendwie einzigartig. 

Hatemo: Nehmt euch an Money Boy oder Hustensaft Jüngling ein Vorbild. 

Bronson XL: Der Typ ist wirklich verstrahlt. Man sollte Musik aus Leidenschaft betreiben und nicht mit der Intention, damit irgendwann Geld zu verdienen. Qualität und Talent stehen nicht für Verkaufszahlen. Man darf sie nicht gleichsetzen mit Klicks und Bekanntheitsgrad. Heutzutage geht derjenige viral, der die größte Scheiße baut.

 

Wollt ihr abschließend noch etwas erwähnen?

Hatemo: Die allerliebsten Grüße gehen an Hüseyin Abi und Tonton Mirek. 

Bronson XL: Hustle always beats talent, when talent doesn’t hustle (Zitat von Ross Simmonds, Anm. d. Red.). Arbeit wird belohnt. Das ist mein Leitspruch. Leider sind Ausdauer und Disziplin mein größter Feind. Die Hatemo Platte hatten wir beispielsweise bereits vor Monaten fertig aufgenommen. Ich mache den Beat, nehme ihn auf, muss alles schneiden, exportieren und an den Mischer weiterreichen. Hatemo rappt zum Glück sehr tight. Bei einer Dopplung ist er sehr on point. Ich persönlich habe den Anspruch, perfekte Arbeit abzuliefern.

Hatemo: Ich möchte mir zum Ende des Jahres zuhause ein eigenes Studio zulegen, damit ich ihm helfen kann. Da habe ich voll Bock drauf. Zudem möchte ich das Produzieren ein bisschen mehr verstehen. Meiner Meinung nach arbeiten zwei Köpfe besser als einer. Und Bronson ist nicht nur Produzent, der Typ kann auch rappen und Texte schreiben. Er hat wirklich coole Reimketten. 

Bronson XL: Es ist halt schwierig neben der Arbeit. Wenn du alles selbst machst, machst du nichts zu 100 %.