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#wölfejagennichtmithunden

JEE

Location: Bielefeld

aktiv seit: 1995

Schwerpunkt: Writing

Crew: 613

instagram.com/johnny_raider

 

Hast du „nur“ eine Crew?

Es gab mehrere zum Beispiel die PLDcrew, aber über die Jahre hinweg hat es mich irgendwann nur noch zu einer einzigen Crew hingezogen. 2000 hatte ich sie als Erstes gegründet. Vor ein paar Jahren hörte ich auf, andere Crews neben meine Bilder zu schreiben. Das wird sich, glaube ich, auch nie wieder ändern. Für mich ist Writing sehr crew- und bezirksbezogen. Wer aus Bielefeld kommt, weiß bei 613 Bescheid: Nordpark, Babenhausen Süd, die Ecke. Meine Crew ist für mich das Wichtigste. Grüße gehen raus an DIEB, TER, TEAL, REL, JAR UND GAS. Ihr habt von 2000 bis Anfang 2003 mit mir zusammen alles auseinander genommen. 

 

Seit wann bist du aktiv? 

Mit Writing beziehungsweise Graffiti fing ich an, bevor ich wusste, was das überhaupt ist. Muss Mitte 1995 gewesen sein. MC Ice-T aus L.A. führte mich dahin. Mit zwölf fing ich an, seine Mucke zu hören, und blieb auf dem Rapfilm hängen. Vom Album „Rhyme Pays“ malte ich das Logo des Backcovers und von „The Iceberg“ das Frontcover nach. Ich hinterließ draußen an Wänden oder in der Schule die Schriftzüge Ice-T und Iceberg, bis ich Ende 1995 auf richtige Writer stieß. Sie wiesen mich darauf hin, dass es den Namen schon gibt und ich mir was Eigenes ausdenken muss. Von da an nahm ich die Angelegenheit ernster. 

Mein erster richtiger Name war WOSE. Ich verstand, dass das, was ich tat, auch andere betrieben. Dementsprechend wollte ich das vernünftig machen. Geteached hat mich MASE von der STC Crew. Darüber bin ich richtig froh, da ich von ihm sehr viel lernte. Wer MASE von der STC Crew kennt, wird ansatzmäßig an meinen Charactern sehen, dass ich von ihm geprägt wurde. Leider ging der Kontakt zu ihm irgendwann verloren. Soweit ich hörte, ist er nur noch im Kunstbereich aktiv. Er brachte mir einst das Writing, das richtige Graffiti nahe. 

 

Ziehst du oft an Wochenenden los?

Ich versuche, so viel Zeit wie möglich reinzustecken. Das findet nicht nur am Wochenende, sondern auch unter der Woche statt. Ich sketche viel und führe Blackbooks. Ich bin nicht oft in anderen Städten unterwegs, auch wenn ich gewisse Kontakte pflege und ab und zu mit anderen Leuten gemeinsam male. Ich bin hauptsächlich in Bielefeld und Umgebung aktiv und versuche, jedes Wochenende loszuziehen. Zudem bin ich nicht unbedingt der Schönwettermaler. Solange es nicht nass ist, scheiße ich drauf, ob es kalt ist oder so. In den letzten Jahren male ich sehr viel Hall of Fame, aber für mich ist es wichtiger, auf die Straße zu gehen. Allerdings wird man nicht jünger, deswegen ist man auf der Straße nicht mehr so stark aktiv wie früher. 

 

Kannst du dir vorstellen, irgendwann aufzuhören?

Aufhören ist für mich auf jeden Fall ein NoGo. Da müsste schon gesundheitlich etwas ganz Schlimmes passieren, keine Ahnung, dass ich zum Beispiel meine Hände nicht mehr bewegen kann. Dann würde ich mit den Füßen weiter malen (lacht). Für mich gibt es eigentlich keinen Weg zurück. Möglicherweise wird’s weniger, aber Hall und Straße werden für mich niemals ein Ende finden, das geht nicht. 

 

Wie wichtig sind für dich Jams von Organisationen wie hoch2wei?

Ich habe da höchsten Respekt vor und finde es sehr gut, was sie machen. Sie führen die Kultur an die normale Gesellschaft heran, vielleicht auch um sie in ein anderes Licht zu rücken. Sie ermöglichen einen anderen Blickwinkel auf die Szene. Ich persönlich hielt mich früher aus der Jam-Sache komplett raus. Bis vor ein paar Jahren wussten die Leute noch nicht einmal, wer ich bin. Man sah meine Bilder, und das war’s. Für mich war das, ehrlich gesagt, immer ein bisschen wichtiger. Mittlerweile trete ich aus der Dunkelheit ans Licht und male auch mal mit anderen Leuten. Selbst nehme ich an Jams erst seit ein paar Jahren teil. Die letzten drei Jahre zum Beispiel in Vlotho und letztes Jahr am Kesselbrink. Bei der X Hoch 2 Jam an der Universität habe ich auch mitgemacht. 

 

Warst du schon im Ausland aktiv?

Ich war 2017 und 2018 bei der internationalen Graffiti-Veranstaltung „Meeting of Styles“. Die Veranstaltung wurde ursprünglich in Wiesbaden gegründet, aber mittlerweile läuft sie weltweit, und ich hatte die Ehre, zweimal im Kosovo daran teilzunehmen. Damit habe ich mir einen Traum erfüllt, das war schon immer ein Ziel. Dieses Jahr habe ich mich wieder dafür beworben. Ein Traum wäre es auch, in Miami beim „Meeting of Styles“ mitzumachen, aber das steht noch in den Sternen.

 

Gibt es Leute, die du bewunderst? Was inspiriert dich?

Inspiration gibt’s viel. Die größte Inspiration direkt aus Bielefeld ist für mich BIRTH S2K CREW. Er ist für mich das B von Bielefeld, der Style King und natürlich MASE. Mehr Inspiration aus Bielefeld gibt es für mich eigentlich nicht. Weltweit gesehen, bewundere ich natürlich die Klassiker: DONDI, LEE, COPE2, SEEN, TKID, LEROY-CMDcrew, BESH-SIMcrew, SKA-CMD Crew, DARE, CANTWO und solche Leute. Da sieht man die Realness, und sie haben einen geilen Style. Ich will nicht alles schlecht reden und möchte nicht wie ein Hater rüberkommen, aber ich stehe nicht auf den ganzen modernen Scheiß. Das Anti-Style-Gekritzel kann ich nicht ab. Old School Character und Schriften sind mehr mein Ding. Das hat mich geprägt, und diese Richtung werde ich bis zum Ende weiterfahren. 

 

Wenn du bereits seit rund 24 Jahren aktiv bist und fast wöchentlich losziehst: Hast du noch einen Überblick, wo du schon überall deine Spuren hinterlassen hast?

Es gab ein paar Jahre, wo ich nicht so aktiv war, da ich zu der Zeit viele andere Dinge gemacht habe, die nichts mit Malen zu tun haben, aber das wäre zu krass, das hier genauer zu erklären ... Ich erinnere mich eigentlich an so gut wie jeden Spot. Je härter die Action war, desto eher bleibt er im Gedächtnis. An die legalen Sachen erinnert man sich dank Fotos. Es ist natürlich traurig, dass man nicht von allen Streetsachen Fotos hat. Vieles ist schon weg. Früher lief man nicht wie heute mit einem Smartphone herum. Man musste Filme entwickeln gehen, manche gingen unter anderem durch Action mit der Polizei verloren ... Das sind alte Geschichten. Dennoch erinnert man sich gerne daran zurück. 

 

Du hattest im Vorfeld erwähnt, dass du privat 
Fotobücher deiner Arbeiten umsetzt?

Genau, aber es wird auf jeden Fall noch ein crew-bezogenes Fotobuch geben, mit Bildern von der Straße und Hallpieces. Dies wird dann auch für die Öffentlichkeit sein. Hauptsächlich werden meine Arbeiten drin sein (Hallpieces), da ich mehr oder weniger das letzte aktive Mitglied in der Crew bin. Das ist ein bisschen traurig und zieht einen ab und zu runter. Mit zwei Leuten gehe ich noch so ein-, zweimal im Jahr an die Hall, das war’s dann aber auch. Das letzte Mitglied, das regelmäßig an der Hall aktiv ist und Straßenpräsenz zeigt, ist JEE (lacht). Umso mehr gibt es mir den Ansporn, standhaft zu bleiben und weiterzumachen. Ich kann gar nicht mehr anders und würde es traurig finden, wenn es das gar nicht mehr geben würde. Daher versuche ich einfach, das hoch zu halten. Zudem mache ich Sticker. Ab und zu sieht man hier und da welche. Der nächste Sticker wird etwas größer und ein richtiger Burner. DEDE, ein Kollege von mir in China, digitalisiert ihn gerade. Er ist auch Crew-Mitglied. Ab und zu schicke ich ihm einen Sketch vorbei, da ich mich mit dem ganzen Digitalen gar nicht auskenne. Ach ja ... was Bombings angeht, werden alle Bilder ins Buch kommen, die ich besitze, alte sowie auch neue. 

 

Wessen Feedback bedeutet dir am meisten?

Feedback ist sehr schön und freut mich immer. Mir bedeutet Rückmeldung, die nicht aus der Szene kommt, ein bisschen mehr. Wenn mich eine alte Omi an der Hall anspricht und mir sagt, dass sie es toll findet, was ich da mache, bedeutet mir das viel mehr als die positive Bestätigung von zehn Writern. Feedback von meiner Familie bedeutet mir auch sehr viel und von meiner Crew. Vielleicht denke ich da ein wenig altmodisch. Keine Ahnung. Ich persönlich brauche kein Feedback, da ich nur für meine Crew, für mich und meinen Bezirk male. Für niemand anderes. Ich weiß ganz genau, dass die Jungs aus meiner Gegend das feiern. Das bedeutet mir viel mehr. Ich könnte auch losziehen und nur meinen Namen malen. Das mache ich aber nicht. 

 

Du hast auf Instagram geschrieben, dass dir 
deine eigenen Bilder selten gefallen. Weshalb ist das so? 

Ich bin sehr selbstkritisch. Das beruht irgendwie auf dem Drang zur Verbesserung. An dem Tag, wo ich zufrieden bin, muss ich nicht mehr weitermachen. Daher werde ich niemals zufrieden sein. In Sachen Technik möchte ich mich auf jeden Fall noch sehr stark verbessern. Ich male seit 24 Jahren und technisch gibt es Leute, die einfach viel krasser sind. Style is the Message. Für mich war es erstmal wichtig, meinen eigenen Style zu finden. Technik stand erstmal im Hintergrund. Nun fühle ich, dass mein Style in eine vernünftige Richtung geht. Jetzt muss ich definitiv an meiner Technik arbeiten. Da geht noch viel mehr, das sehe ich an Anderen. Am ehesten bin ich mit meinen Charactern zufrieden. Sie sind mein Lieblingsding. Auf Papier male ich fast nichts anderes und eher selten Schriftzüge. Auf der Wand bin ich oft zu faul für Character, aber nicht immer. 

 

Was hältst du davon, dass immer mehr Firmen auch hierzulande Graffiti in ihrer Werbung nutzen, um junge Menschen zu erreichen?

Ich finde das sehr gut, solange der Künstler dafür bezahlt wird. Manche Marken stellen ihr Modell bei Shootings vor ein Graffiti, und der Künstler kriegt noch nicht mal etwas dafür. Da haben Leute ihr Herzblut reingesteckt, und sie klauen das einfach. Sie brüsten sich im Endeffekt mit dem Namen eines anderen. Das Modell alleine würde ohne den Hintergrund gar nicht so cool aussehen. Wenn Firmen den Künstler für eine Zusammenarbeit einladen und ihn dafür bezahlen, finde ich das cool. Das ist auf jeden Fall legitim.

 

Wie sehen deine nächsten Pläne aus? 

Gerne würde ich mehr von der Welt sehen. Ich möchte an zwei für mich wichtigen Veranstaltungen im Ausland teilnehmen. Das hat auch damit zu tun, dass ich diese Länder gerne mal sehen würde. Dann möchte ich noch ein Buch herausbringen. Vielleicht mal eine eigene, kleine Ausstellung machen. Ansonsten bin ich ganz zufrieden. Inzwischen gebe ich mich auch mit weniger zufrieden. Man ist nur enttäuscht, wenn man etwas nicht schafft. Lieber klein starten und groß schaffen. 

 

Möchtest du abschließend noch etwas erwähnen?

Was ein ganz wichtiger Aspekt beim Malen ist, weshalb ich überhaupt erst damit anfing, ist die Musik. Musik hat mich so extrem hart geprägt. An der Hall bin ich immer mit Musik unterwegs. Ich kann schon fast gar nicht mehr ohne malen. Wenn ich die Musik fühle, bin ich beim Malen richtig im Flow. 

 

Was hörst du so?

Das geht bei mir Querbeet mit dem Schwerpunkt HipHop. Ich höre viel Funk und Soul, aber auch elektronische Musik in Richtung Breakdance (B-Boy ElektroFunk) wie beispielsweise Funkmaster Ozone, Dogg Master oder The Egyptian Lover. Bei mir läuft sehr viel Westcoast Musik wie Psycho Realm, Rappin’ 4-Tay, Cypress Hill, Big Syke, Spice 1, 2Pac ... Ohne Ice-Ts Musik und seine Cover hätte ich niemals angefangen, zu malen. Ich höre aber auch Eastcoast Musik: Wu-Tang Clan, Gangstarr, Rakim und Krs-One, Big Pun. Deutsche Musik ist ein wenig schwierig für mich. Zu ihr habe ich eine gespaltene Meinung. Die alten Deutschrap Sachen wie Too Strong, Stieber Twins, Torch und RAG sind mega. Wer die Klassiker nicht zu schätzen weiß, versteht nicht, was deutscher Rap ist. Deutscher Rap hat sich stark verändert. Ist nicht alles so mein Ding. Meine Gegend supporte ich auf jeden Fall auch, was Rap angeht. DERDO ist der Rapper aus unserem Bezirk. Sein Video „Aktiv“ sollte man definitiv abchecken. 

 

Fühlst du dich in der lokalen Sprüherszene wohl?

Ich halte mich von der Szene fern. Mittlerweile kenne ich die meisten Leute. Ich male nur mit ganz wenigen. Mit Leuten, mit denen ich sitze, esse und trinke, male ich auch. Mit Leuten, auf die das nicht zutrifft, will ich auch nicht unbedingt so viel malen oder zu tun haben. Ganz einfach. Das ist ein bisschen extrem bei mir. Ich habe schon mit Leuten gemalt, mit denen ich nicht so viel zu tun hatte. Bei 90 Prozent der Leute habe ich es bereut, mit denen überhaupt ein Bild gemalt zu haben. Sie stellten sich als falsch heraus und vertraten nicht die selben Werte. Syck ist einer der wenigen legalen Maler, mit denen ich gerne losziehe. Er hat viel für die Szene getan und bekommt meinen vollsten Respekt. Wir haben erst zwei Projekte gestartet, aber beide Male sind richtig gut gelaufen. Von ihm kann ich definitiv technisch was lernen. Styletechnisch nicht, da versuche ich immer, meinen Egofilm zu fahren und mich nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Syck hat generell mehr Anerkennung verdient. 

Dass er Kritiker hat, ist ihm bewusst.

Umso besser, dass ich hinter ihm stehe. Die meisten Menschen mögen mich auch nicht, wegen 
meiner ernsten Denkweise, was HipHop angeht. Dann passt das schon ganz gut (lacht). Mitleid kriegst du geschenkt, Neid musst du dir verdienen. Es kommt vielleicht ein bisschen egoistisch oder arrogant rüber, aber ich muss versuchen, meinen Namen sauber zu halten. Ich will nicht mit jedem etwas zu tun haben. Daher kommt mein Hashtag #wölfejagennichtmithunden.