"Den Leuten ein Dorn im Auge sein"

Es gibt wieder was Neues aus Leipzig. Nach der durchwachsenen Rezi zu The Maphews’ „Dagobert“ EP lassen wir jetzt mal den Künstler direkt zu seinen beiden Veröffentlichungen zu Wort kommen. So erfährt man auch, warum er seine Musik gerne mit den ersten Konzepten zum Bau von Hubschraubern oder Flugzeugen beschreiben würde.

 

 

„Fette Beute“ Split EP feat. CASH

„Roddlermole“ by The Maphews

 

„Okay, also das „Fette Beute“ Album sollte eigentlich eine Möglichkeit bieten, zwischen Matthias und einem Kollegen – CASH –, mit dem ich zusammen an einigen Liedern geschrieben habe, eine Split zu machen. Erstens wollten wir einfach einen gewissen Stilbruch hervorrufen, also im Sinne von Horizont erweitern. Zweitens wollten wir auch mal anders klingen. Er ist ein ziemlich guter Bassist, der sein Instrument lieber wie ein frauenverachtender Macho-Prolet durch die Weltgeschichte slappt, aber sich leider nicht so ins Zeug legt, um seinen Kram an die Öffentlichkeit zu bringen. Und ich dachte mir, der arme kleine winzige Marco mit seinen vom Bass slappen dicken leuchtenden ET Fingern hat ein paar gute Ideen, also lass ne 2-Lieder-er-2-Lieder-ich-EP machen, um auch eventuell eine 7 inch Schallplatte irgendwann mal zu machen. Wobei ich glaube, dafür sind einige Lieder dann doch zu lang, um 'ne kleine Punkscheibe daraus zu machen. Aber zum Glück gibt’s das Internet, um doch noch ein paar Leuten das Mittagessen zu verderben. Natürlich bleibt das mit 'ner Produktion wohl ein erfüllter Albtraum.

 

Man kann hören, dass da schon zwei sehr unterschiedliche Kontroversen zu hören sind, und merkt, wenn Matthias Dissonanzen oder völlig unharmonische, nicht vorhandene eklig klingende Nicht-Melodien gewollt in Lieder reinpresst. Vieles würde dann auch ohne die Drums gar nicht funktionieren. Aber ich finde, es ist heutzutage wichtig, den Leuten ein Dorn im Auge zu sein. Man muss gekonnt versuchen, auch „schlecht“ zu klingen. Abartig, sauer, bitter, verbittert. Denn das sind gewisse atmosphärische Aggregatzustände, die man nicht mit jedem teilt. Wenn ich das wollte, müsste ich ja nur Knopfdrücker-Lieder spielen oder besser aussehen. Jeder, der mich kennt, weiß ja, dass ich das aber nicht tue. Den ganzen Tag Casting Cover so weit verhunzen und nachmachen, bis kein Schwein mehr das eigentliche Original interessiert, oder mich von Dieter Bohlen für Geld geheuchelt vollschleimen lassen, wie einzigartig meine – überhaupt gar nicht kopierte – Gesangstimme ist.

 

Deutschland hat leider nur einen ganz beschränkten Geistesverstand, was Musik angeht. Schlagermusik ist tausendfach kopierte Gute-Laune-Musik, wo es größtenteils nur ums Vögeln geht, nur damit sich diese auf Mallorca verkoksten, besoffenen und verkorksten Weiberhelden am Strand wohlfühlen. Und diese Idioten klatschen noch schön im Sitzen dazu. Und da denk ich mir, wenn man bei dieser Musik als Deutscher Wert drauf legt, Texte zu verstehen, dann ist man ein ganz schön gestörter kranker Perv-Boy oder einfach nur schlichtweg dumm.

 

So. Und das „Roddlermole“ Album wollte ich, weil ich schon lange nichts mehr mit Matthias geliefert hatte. Ich konnte eigentlich echt schnell die fertig geschriebenen Lieder aufnehmen, weil gute Lieder auch gut klingen, egal wie schlecht sie aufgenommen sind. In dem Fall klingen sie besser, als ich es eigentlich wollte. Es gibt immer Meckerzicken da draußen, die regelrecht nach Fehlern suchen und hundertprozentig einiges am Sound zu meckern hätten (Hallo Paul!), aber ich bin zufrieden, wenn man bedenkt, mit was für Equip wir aufnehmen oder wie wir aufnehmen. Da würden einige hysterisch lachend wegrennen. Was ihr da hört, ist Audacity auf ’nem Netbook. Kein Notebook. Und irgendwelche sogenannte Zufalls-Adventure-Recordings mit total schlechten Mikros. Manchmal steckte sogar direkt bei der Aufnahme irgendein Mikrostecker nicht richtig und dadurch war zufällig das kleine Mikroloch am Netbook aktiv. Und siehe da ... Noch besser! Man ist zufällig fauler, als man eigentlich gar nicht sein will (lacht). Was auch immer das bedeutet. 

 

Ein Lied auf „Roddlermole“ ist sozusagen re-recorded worden, um auch zu zeigen, hier habt ihr eine Scheiß-Version und eine gute Version, ein Progress, und ihr dürft jetzt entscheiden, welcher von beiden das ist. Einfach ein paar neue Lieder noch und das war’s. 

 

Achso, ja, jedenfalls auf der „Fette Beute“ Geschichte hört man dann schon auch eine ruhigere Seite ... Ich mach mich immer lustig, dass „cash dummy" nach tangofunkiger Discopunk Musik klingt. Warum? Keine Ahnung. Weil das Schlagzeug swingt und der Bass slappt? Womöglich. Ich finde, es hat eine gesunde Abwechslung, es variiert, und das ist die geheime Würze.

 

„A fox" ist eine für Matthias unübliche, besondere, ruhige Nummer, und das soll auch so sein. Obwohl ... Dann kann man ja nicht von „unüblich“ reden ... Egal ... Dann „lose tire, then win“ ist so ’n ekliges massenuntauglicheres Ding und „rat badge“ is ’ne schöne kleine heiße Punkrock Nummer oder so. Ich hab keine Ahnung. Ich kann meine eigene Musik nicht aus dieser anderen Hörer Perspektive sezieren oder in Genre-Schubladen stecken. Bevor Leute sich das anhören, fragen die einen immer vorher, was es für eine Richtung ist. Ab sofort sag ich „Richtung? Süden!“ Einige geben Musik nur eine Chance, wenn sie es schon mal gehört haben, oder in einem Wort beschrieben gesagt kriegen anstatt auch mal drüber nachzudenken, dass Musik auch mal anders sein kann. Klar gibt’s für jeden Mist gewisse Überschriften und Garagen, in die sie reinpassen. Aber nicht jeder fährt ein Auto. Ich würde gerne Matthias’ Musik mit den ersten voll bescheuerten Konzepten zum Bau von Hubschraubern oder Flugzeugen beschreiben. Hast du die mal gesehen? Total bescheuert und völlig abstrakte Ideen, die niemals funktioniert hätten und zum Scheitern verurteilt waren und trotzdem muss man lachen, wenn man’s sieht. Perfekt für Scham und Schande und ein schallendes Gelächter. Menschen lachen so etwas regelrecht aus. Varianten, die nie geflogen sind oder funktioniert haben. Aber trotzdem einen großen Kreativitätsreichtum hervorgebracht haben, woraus sich später was entwickelt hat.

 

„Fette Beute“ Split EP feat. CASH

https://meth-use.bandcamp.com/album/fette-beute-split-ep-feat-cash

 

„Roddlermole“ by The Maphews

https://meth-use.bandcamp.com/album/roddlermole

 

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